Norbert Trenkle------------ - - - - - - -- - -zurück
Arbeit ist für den westlich sozialisierten Menschen die selbstverständlichste Sache der Welt; so selbstverständlich, daß er im allgemeinen gar keinen Gedanken darauf verschwendet, um was es sich eigentlich dabei handelt.
Fragt man ihn, so wird er ungefähr antworten, Arbeit sei nichts anderes als zweckorientiertes, anstrengendes körperliches oder geistiges Tun und als solches ewige Notwendigkeit des menschlichen Daseins.
Vielleicht geht er gar so weit, in der Arbeit das Wesen des Menschseins zu sehen, also das, was ihn vom Tier unterscheidet und aus der Natur heraushebt.
Eine Schrift mit dem Titel "Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affens", wie sie Friedrich Engels am Ende des 19.
Jahrhunderts verfaßte, mag den Heutigen ein wenig zu pathetisch klingen, dennoch bringt sie den immer noch herrschenden Bewußtseinszustand auf den Punkt.
Verräterischerweise zählt in »linken« Kreisen des Deutschen Gewerkschaftsbundes ausgerechnet diese Schrift zu den bewahrenswerten Texten des Marxismus.
Nun wäre es absurd, abzustreiten, daß zur Erhaltung und zur angenehmen Gestaltung des Lebens allerlei nützliche Dinge produziert und die unterschiedlichsten Tätigkeiten verrichtet werden müssen.
Wenn Menschen essen wollen, müssen sie Getreide, Gemüse und Obst anbauen, Tiere züchten; müssen sie Kochen und überhaupt erst einmal Felder angelegt, Stallungen, Lagerräume und Küchen gebaut und ausgestattet haben; müssen sie gelernt haben, wie man all dies tut; müssen sie sich darüber einigen, wer was und wann tut und wie die hergestellten Dinge verteilt werden usw.
usf.
Daran wird sich grundsätzlich nie etwas ändern, auch wenn mit Hilfe von Wissen und Technik der notwendige Zeitaufwand reduziert werden mag
Doch wieso werden solche völlig unterschiedlichen Tätigkeiten in der bürgerlichen Gesellschaft eigentlich unter einer einzigen Abstraktion - der »Arbeit« - subsumiert?
Zunächst einmal könnte es so scheinen, als sei dies eine bloße Denkabstraktion, die nur der begrifflichen Erfassung der Wirklichkeit und der leichteren Verständigung dient, ganz so, wie wir »Baum« sagen können, wenn wir Buche, Eiche oder Birke meinen.
Doch gibt es einen wesentlichen Unterschied.
Die Abstraktion »Arbeit« bezieht sich nämlich nicht auf die Inhalte der gemeinten Tätigkeiten, sondern allein auf die gesellschaftliche Form in der sie verrichtet werden.
Was als »Arbeit« gilt, darüber entscheiden nicht stofflich-sinnliche Kriterien, wie etwa die Frage danach, welche Handgriffe verrichtet und welche Produkte hergestellt werden oder welchen konkreten Nutzen sie für die Menschen haben.
Entscheidend ist nur, ob eine Tätigkeit unmittelbar in den abstrakt-gesellschaftlichen Zusammenhang der Warenproduktion eingeht: und das Merkmal hierfür ist, ob sie für Geld verrichtet wird oder nicht.
Deshalb kann auch eine bestimmte Tätigkeit, je nach Kontext, einmal als Arbeit gelten und ein anderes Mal nicht.
Niemand wird beispielsweise den Unterschied leugnen können, der zwischen dem Tapezieren und Streichen des eigenen Wohnzimmers und derselben Tätigkeit als Angestellter eines Malerbetriebs besteht.
Der Tätigkeitsinhalt ist beide Male exakt der gleiche.
Aber im ersten Fall geht es mir um die Befriedigung eines ganz bestimmten sinnlichen Bedürfnisses (dem nach einem schöneren Wohnzimmer); im zweiten Fall dagegen stehe ich im Dienste eines völlig unsinnlichen Zwangs: dem gesellschaftlich-totalitären Zwang zum Geldverdienen.
Vor diesem Zwang sind alle Tätigkeiten gleich, ganz unabhängig von ihrem Inhalt.
Was zählt ist nur ihre Marktgängigkeit.
Erst dadurch werden sie zur »Arbeit«.
Im sogenannten finsteren Mittelalter wäre niemand auf die absurde Idee verfallen, die Aktivitäten eines Schmiedes, einer Bäuerin, eines Ritters oder einer Nonne unter eine einzige abstrakt allgemeine Kategorie zu subsummieren.
Das macht erst dort Sinn, wo die Menschen dazu gezwungen werden, ihre Lebensenergie als »Arbeitskraft« für einen ihnen gleichgültigen und äußerlichen Zweck zu verkaufen: den blinden Selbstzweck der Kapitalakkumulation.
Im Marxismus figurierte die Arbeit immer als Gegensatz des Kapitals.
Sie ist dies auch, aber nur insofern sie einen Interessenpol innerhalb des gemeinsamen Bezugssystems der kapitalistischen Warenproduktion repräsentiert.
Wenn »Arbeit« die Form ist, in der die Menschen ihre Lebensenergie verkaufen müssen um zu überleben, dann muß ihnen der konkrete Inhalt ihres Tuns letztlich genauso gleichgültig sein, wie dem Kapitalisten, der sie anheuert.
Ob sie Pestizide herstellen oder Autobahnen bauen, Bettler aus der Fußgängerzone vertreiben oder Soap-Operas drehen - es